Montag, 3. Dezember 2007

Deutsche Unwissenheit I: das Eiserne Kreuz

In der heutigen Zeit, im „Kampf gegen Rechts“, im „Aufstand der Anständigen“, der mittlerweile zum Aufstand der Ahnungslosen geworden ist, wird nahezu jedes Symbol deutscher Geschichte als „faschistisch“, „nazistisch“ oder zumindest als „rechts“ (womit jedoch die ersten beiden Bezeichnungen gemeint sind) verunglimpft. Im zweiten Teil über die deutsche Unwissenheit behandele ich das Eiserne Kreuz.

Das Eiserne Kreuz ist eine militärische Auszeichnung, die erstmal vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1813 gestiftet wurde. In seiner Form lehnte es sich an das Tatzenkreuz des Deutschen Ordens an. Während die erste Version von 1813 noch ein „FW“ (für Friedrich Wilhelm), eine Krone sowie ein Eichenlaub zierte, rückte später statt einem „FW“ nur noch ein „W“ (für Wilhelm I. bzw. Wilhelm II.) in den oberen Balken. Das Stiftungsjahr war in allen Kreuzen im unteren Balken zu finden. Unter den Nationalsozialisten wurde das EK 1939 erneut gestiftet, wobei das Eichenlaub durch das Hakenkreuz ersetzt wurde. Das Eiserner Kreuz war der erste europäische Kriegsorden, der ohne Ansehen von Stand und Dienstgrad vergeben wurde.

Das EK wurde zum Zeichen der Bundeswehr und ist heute als Hoheitszeichen auf den Fahrzeugen aller Teilstreitkräfte zu finden. Ebenso ist auf den Ehrenmedaillen und Ehrenkreuzen der Bundeswehr das Eiserne Kreuz zu sehen, das als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit steht.

Es ist also folglich unschwer zu erkennen, dass das Eiserne Kreuz in seiner fast 200jährigen Geschichte nicht allein auf die Zeit von 1933-1945 beschränkt werden kann, auch wenn linke Gruppierungen nicht müde werden, alles Historische dem Nationalsozialismus zuzuordnen. Seit 1957 sind die Inhaber des Eisernen Kreuzes auch berechtigt, ihren Orden zu tragen – sofern sie das Hakenkreuz (als Zeichen verfassungsfeindlicher Organisationen) im EK ausstanzen oder ähnlich unkenntlich machen lassen bzw. ihr damals verliehenes EK gegen eines mit Eichenlaub statt Hakenkreuz eingetauscht haben.

Bild: sammlernet.de

Samstag, 1. Dezember 2007

Kritisch-moralischer Revisionismus

Häufig meint der Mensch, im Besitz absoluter Wahrheit zu sein. Vor allem ist dies der Fall, wenn es seinen Interessen dient. Doch stellt sich die Frage, ob es absolute Wahrheiten geben kann. Dem schließt sich die Frage an, ob der Mensch fähig ist, jene absoluten Wahrheiten auch zu erkennen. Oder ob der Mensch viel mehr seine Umwelt auf gewisse Weise – welche durch seinen sozio-kulturellen Hintergrund geprägt ist – lediglich interpretiert. Sicherlich gibt es Hinweise, dass bestimmte Vorgänge tatsächlich stattgefunden haben, doch bleibt dies im Bereich der Wahrscheinlichkeiten. Auch wenn alles dafür spricht, dass etwas so und nicht anders stattgefunden hat, ist es nicht bewiesen. Die Wahrscheinlichkeit ist nur sehr hoch. Kritisch wird dies jedoch, wenn historische Ereignisse betrachtet werden. Vor allem dann, wenn eine politisch-ideologische Intention damit verbunden ist.

Das Wort „Revisionismus“ geht auf das Lateinische zurück und lässt sich mit Rückschau bzw. Überprüfung (re: wieder, zurück; videre: ansehen) übersetzen. Wertfrei betrachtet bedeutet dies also, dass bestimmte als Fakten angesehene Umstände auf ihren Wahrheitsgehalt, ihre Tiefe und ihre Vollständigkeit hin überprüft werden. Einer der bekanntesten Revisionisten war Nikolaus Kopernikus. Er revidierte das von der Kirche diktierte geozentrische Weltbild und lieferte erdrückende Hinweise auf dessen Fehlerhaftigkeit.

In der Bundesrepublik Deutschland wird der Begriff des „Revisionismus“ meist in anderer Hinsicht verwendet. Betrachtet man einschlägige Lexika im Netz bzw. Publikationen, so stellt man schnell fest, dass der Begriff eindeutig negativ konnotiert ist. So gilt das in Frage Stellen der gängigen Lehre der Geschichte der Massenvernichtung der europäischen Juden als eine dezidiert rechtsextremistische Anschauung.

Das Leugnen, Billigen oder Verharmlosen des Holocaust steht in der BRD ebenso unter Strafe wie das Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen von nationalsozialistischer Gewalt- und Willkürherrschaft, das die Würde der Opfer verletzt. So ist das Bestreiten des Massenmordes an den Juden ein Meinungsdelikt, man wird also für das Kundtun seiner Meinung bestraft. Spannenderweise beschränkt sich dies auf die Zeit des Nationalsozialismus (§ 130 III, IV StGB). Ein Leugnen oder Verherrlichen der Terrorherrschaft in China, Kambodscha, Vietnam, Kuba, der Sowjetunion, der DDR oder eines sonst totalitär geführten Staates fällt nicht darunter. Im Gegenteil. Heute sorgt es zwar Zeitweise für Aufregung, wenn man den Mauerbau und Schießbefehl der DDR für richtig und notwendig hält. Aber das ebbt schnell wieder ab.

Kommen wir zurück zum Nationalsozialismus. Wie bereits erwähnt, ist das Leugnen etc. mit Strafen sanktioniert. (Eigentlich interessant, dass Neo-Nazis den Holocaust leugnen. Führt man sich deren Antisemitismus mal vor Augen, müssten sie eigentlich stolz auf die Massenvernichtung der Juden sein.) Und dies führt uns zu zweierlei Problemen.

1. Durch die Sanktionierung von Meinungen wird eine kritische Diskussion unterbunden. Historische Forschung ist unmöglich. Ein Historiker, der nach bestem Wissen und Gewissen den Holocaust erforscht und bei seinen Ergebnissen über die Zahl der ermordeten Juden eine Ziffer kleiner als 6 vor einer insgesamt 7-stelligen Zahl hat, kann seine Ergebnisse nicht publizieren oder anderweitig zugänglich machen. Er und sein Verleger ständen mit einem Bein im Gefängnis. Zusätzlich wäre sein Ruf beschädigt, da er im Verdacht steht, Ziel seiner Arbeit sei die Entlastung der Nationalsozialisten und ihrer Verbrechen.

Dies führt uns auch schon zum zweiten Problem.

2. In kaum einem anderen Fall meint der Betrachter die Intention so genau zu kennen wie in dem unter 1. Beschrieben Fall. Jedwede Feststellung, etwas könne im Dritten Reich evtl. anders sein – vor allem, wenn sich etwas weniger grausam darstellt als bisher angenommen –, wird mit dem Vorwurf der Verharmlosung des Nationalsozialismus geahndet. „Die Deutschen sollten lernen die Geschichte auch dann zu akzeptieren, wenn sie für sie günstig ist“, hat ein intelligenter Mann einmal gesagt. Das Problem ist ganz grundsätzlicher Natur. Es erfolgt hier eine Vermengung von der Suche nach historischen Tatsachen und deren moralischer Bewertung.

Bleiben wir beim Historiker, der sich mit dem Holocaust beschäftigt. Nehmen wir mal an, er entdecke bisher in irgendwelchen Archiven schlummernde Akten, die belegen, dass statt der bisher angenommenen 6 Millionen Juden 4 Millionen Juden ermordet wurden. Er dürfte seine Entdeckung bei Strafe nicht publizieren. Entdeckte er hingegen Akten, die darauf schließen ließen, dass z.B. 8 Millionen Juden ermordet wurden, stellte dies kein Problem dar. Somit wird Forschung und die Suche nach der Wahrheit verhindert, sobald politisch-ideologisch nicht gewollte Ergebnisse zu Tage gefördert werden. Forschung muss jedoch immer ergebnisoffen sein.

Eigentlich gilt in der BRD der Grundsatz der Trennung von Moral und Gesetz. Eigentlich. Nicht im Falle des § 130 StGB. Wie bereits beschrieben, werden „falsche“ Ergebnisse bestraft. Man vermengt hier die Suche nach Tatsachen mit einer dem Suchenden vermeintlich innewohnenden Moral, die ihm unterstellt wird. Es ist jedoch strikt zwischen Fakt und Moral zu trennen.

Die Moral hat jedoch noch eine weitere Komponente. Sie geht über die Verbrechen des Nationalsozialismus hinaus und wird allgemein. Aus historischer Sicht ist es wichtig zu wissen, wie viele Juden von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Für die moralische Bewertung spielt das eine nur untergeordnete Rolle. Ob die Nationalsozialisten jetzt 2, 4, 6 oder 8 Millionen Juden ermordet haben, ist aus moralischer Sicht egal. Ein System kann nicht anhand einer Zahl als mehr oder minder grausam eingestuft werden. Auf diese Weise ließe sich der Nationalsozialismus sogar als weniger grausam darstellen als die Sowjetunion, China oder Kambodscha. In der UdSSR sind ca. 30 Millionen, in China über 60 Millionen und in Kambodscha 2 Millionen Menschen ermordet worden. Was Kambodscha in diese Liga bringt? Es hatte vor dem „Amtsantritt“ von Pol Pot und seinen Roten Khmer 8 Millionen Einwohner. Es wurde also ein Viertel der Bevölkerung ausradiert. Alles (entweder im Verhältnis oder in absoluten Zahlen) mehr Tote als unter den Nationalsozialisten. Aber macht das diese deswegen wirklich weniger schlimm? Bestimmt nicht. Mord wird nicht weniger schlimm, nur weil ihn mehrere begangen haben.

Es wurde aufgezeigt, dass Gesetze über historische Umstände und deren Diskussion in mehreren Punkten unsinnig sind. Sie unterbinden Forschung, Diskussion, Meinungsfreiheit. Anzustreben wäre folglich eine kritische Überarbeitung des §130 III und IV StGB. Zum Einen, weil er sich lediglich auf die Zeit des Nationalsozialismus beschränkt, somit gleiche Äußerungen über andere Menschen in anderen Diktaturen aber zulässt. Es werden Menschen also sortiert. Bei dem einen Teil ist es strafwürdig, beim anderen nicht. Menschen werden so nach Wert sortiert, indem man zwischen Opfern unterscheidet.

Zum Anderen muss gestattet sein, Dinge nicht zu glauben. Wer nicht an die Gesetze Newtons oder Einsteins glaubt, dem soll es so belassen sein. Auch wenn er täglich mit dem Gegenteil konfrontiert ist, muss man seine Meinung tolerieren. Grenzen findet dies erst dann, wenn zur Gewalt aufgerufen wird. Eine Besserstellung der Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft gegenüber anderen Opfern von Gewalt und Unterdrückung, so wie es der §130 III, IV StGB vorsieht, ist widersprüchlich zu den Menschenrechten, die allen Menschen gleich zustehen. Das Andenken Verstorbener wird bereits durch §189 geschützt, eine besondere Ausweitung bezüglich der Zeit des Nationalsozialismus ist folglich nicht nötig.

Ich plädiere daher für einen kritisch-moralischen Revisionismus, der die Suche nach historischen Wahrheiten von deren moralischer Bewertung trennt. Alles muss hinterfragbar sein und hinterfragt werden. Alles muss kritisch gesehen werden, sonst ist es Ideologie. Die Geschichte muss ergebnisoffen erforschbar bleiben. Und dies bezieht sich auf alle Teile, nicht nur auf den hier beschriebenen Fall des Holocaust.


Bild: Uni Bochum

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