Freitag, 13. April 2007

Hans Filbinger - eine andere Wahrheit

Die Rede von Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger zum Tode von Ministerpräsident a. D. Hans Karl Filbinger erhitzt die Gemüter.

Hans Karl Filbinger wurde 1913 geboren und ist 1966 erstmals - und in der Folge noch zwei mal - zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg gewählt worden, wobei er die CDU jeweils mit absoluter Mehrheit in den Landtag führte.

Aber dies ist nicht das Problem, warum sich die politische Linke so aufregt.

Werfen wir jedoch zunächst einen kurzen Blick auf das Leben von Hans Filbinger um zu erörtern, was an der Aufregung dran ist.

Filbinger gehörte dem katholischen Jugendbund "Neudeutschland" an - der damaligen Zentrumspartei nahestehend -, welche sich gegen eine Eingliederung in die Hitlerjugend zur Wehr setzte und daraufhin verboten wurde. Ebenso wurde Filbinger seitens der NSDAP als "politisch unzuverlässig" eingeordnet. Damit wurde ihm die Möglichkeit zum zweiten Staatsexamen - Filbinger war angehender Jurist - versperrt. Wie in allen totalitären Diktaturen musste man in "die Partei" eintreten, wollte man es zu etwas bringen. So auch Filbinger. Er wurde in der Folgezeit zur Marine abkommandiert und später - gegen seinen Willen - zur Militärjustiz berufen.

In der Folgezeit hat Filbinger an zwei Todesurteilen mitgewirkt. Das erste Todesurteil an einem Plünderer wurde auf Betreiben Filbingers und seinen entlastenden Fakten nicht vollstreckt. Das zweite Todesurteil wurde gegen einen Deserteur ausgesprochen. Filbinger wurde erst am Tag der Hauptverhandlung als Ersatzmann des Anklagevertreters hinzugezogen. Sein Einfluss auf das Urteil kann also als sehr beschränkt angesehen werden. Im Falle des zum Tode verurteilten Militärpfarrers Möbius erreichte Filbinger eine Wiederaufnahme des Verfahrens, welche schließlich zum Freispruch führte. Im Falle von Oberstleutnant Forstmeier beeinflusste er die Zeugen hin zu entlastenden Aussagen und verzögerte die Verhandlung um knapp ein halbes Jahr, wodurch er die Todesstrafe abwenden konnte.

1978 ist Filbinger als Ministerpräsident zurückgetreten und hat alle Parteiämter aufgegeben, nachdem seine "Mitwirkung" an einem Todesurteil publik wurde. Maßgeblich gesteuert wurde dies von der Stasi. In der Folge machten die Schlagwörter vom "Nazirichter" und "furchtbaren Juristen" die Runde.

Von Sozialdemokraten, Bündnisgrünen über die extremistische Linkspartei bis hin zum Zentralrat der Juden in Deutschland, alle genannten Gruppen werfen Oettinger nun "Geschichtsklitterung" und "Beschönigung", "in der Sache nicht kompetent" und "Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen" vor, weil er in seiner Beisetzungsrede gesagt hat, Filbinger sein kein Nazi gewesen. Auch Rolf Hochhuth, der damals mit Unterstützung der Stasi die Mitwirkung Filbingers am Todesurteil "erforschte", warf diesem vor, er sei "ein sadistischer Nazi" gewesen und Oettingers Äußerungen seien "eine unverfrorene Erfindung". Und auch der Schriftsteller Ralph Giordano warf Oettinger vor, nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen.

Doch betrachten wir das alles mal etwas genauer.

Filbinger hatte als erst zur Hauptverhandlung und als Ersatzmann hinzugezogener nicht die Macht, das Urteil entscheidend zu beeinflussen. Auch wurden damals Deserteure in allen europäischen Kriegsnationen hingerichtet, das war nichts speziell deutsches (auf das Menschenrecht zu desertieren bzw. von Menschenrecht auf Leben überhaupt brauche ich hier, so denke ich, nicht extra verweisen). Und der Ausspruch Filbingers "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein" bezog sich nicht auf das vermeintlich richtige Recht und Gesetz im III. Reich, sondern auf das Militärstrafrecht von 1872, welches auch im Nationalsozialismus Bestand hatte.

Filbinger hatte also bei einem Menschen unter fragwürdigen Mitwirkungsmöglichkeiten an einem Todesurteil mitgewirkt. Durch sein Betreiben wurden aber auch drei Todesurteile aufgehoben, in Gefängnisstrafen umgewandelt oder nicht vollstreckt. Um so entsetzlicher ist die jetzige Medienkampagne gegen einen Toten, der sich nicht mehr wehren kann. Gerade das Ausblenden der Verdienste Filbingers um Leib und Leben von Menschen ist Geschichtsklitterung. Und gerade Leute wie Giordano, weder Politikwissenschaftler noch Jurist, maßen sich an darüber zu urteilen, wer hier auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Es ist fraglich, ob Giordano seine einstige Mitgliedschaft in der - vom Bundesverfassungsgericht wegen Verfassungsfeindlichkeit verbotenen - KPD zu solchen Äußerungen qualifiziert. Und dass die deutsche Linke auf jeden einprügelt, der 1945 älter als 15 Jahre war, ist auch nichts neues. In bekannter und geübter Manier wird die Welt und ihre Realität auf zwei Farben, schwarz und weiß, verkürzt. Demnach gab es im III. Reich nur Widerstandskämpfer und "sadistische Nazis", einer weiteren Unterscheidung bedarf es nicht. Dann wäre die Welt auch nicht mehr so einfach. Und wer macht sich das Leben durch Differenzierung denn gerne schwer? Kann man doch so viel leichter über den politischen Gegner herziehen.

Während 1953 96.000 Mitglieder der Linkspartei - damals unter dem Namen SED - auch NSDAP-Mitglieder waren und SS- und Wehrmachtsveteranen in der DDR nur mäßig zur Rechenschaft gezogen wurden (man brauchte sie ja wieder für die NVA), wird von jenen Leuten gerade Menschen wie Filbinger vorgeworfen, ein Nazi gewesen zu sein.

Der Kampf um den politischen Vorteil scheint viele von jeglichem moralischen Denken und historischen Fakten zu befreien.

Bild: Zeit

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